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Die lange Anna und der Vogelfelsen

„Kleine und große Geister können gleichermaßen irren: Der Große, weil er keine Schranken kennt, der Kleine weil er seinen kleinen Horizont für die Welt hält!“

Mein unermessliches Verlangen dem Ruf der Weltseele, den Urkräften der Natur, wie den ewigen Wogen des Meeres, dessen völliger Hingabe an das Mond,- und Sonnenlicht, zwischen Tag,- und Nachttraum zu f o l g e n, lässt mich hier unter all den Mit,- und Verarbeitern des menschlichen Geistes, sei es unter dem Motiv uns vor uns selbst zu beschützen, wie ein Kind vor der Gedankenkontrolle und der Erziehung der Erwachsenen, oder andere vor uns zu schützen, wie die „Lange Anna“ vor der höllischen Steilküste Helgolands, vor den „verbrecherischen, bösen und letztendlich unberechenbaren“ Urkräften des Meeres, lässt mich,- wie eben jene „Lange Anna“, jene Person die Ursache dieser Namensgebung war,- ebenso einsam und standhaft mit der Kraft des Logos, dem Worte und dem Papier zurück,- hoffend, dass da wo kontroverse Wirklichkeiten hier im „therapeutischen Urlaub von der Forensik“ auf Kosten des wahrlich Schaffenden, letztendlich zum Schutz vor der Schattenseite der Erde, dem alptraumhaften Urschrei des Aufbegehrens gegen Gottes Schöpfung und die Erschaffung des aus dem Paradies vertriebenen Menschen, -t r e n n e n,- der in aller Qual mit jeder glühenden Morgendämmerung erneut durchs Feuer gehen muss, um sich zu wandeln, durch jenes Feuer, welches er seit Urzeiten in sich trägt und welches ihn nur eine gewisse Zeitspanne auf dieser Welt, einem gejagtem Tiere gleich, sich erhalten lässt, indem es ihn für einen unendlich, kurzen Augenaufschlag dem Räderwerk des Schicksal entreißt, um dann schließlich doch, ad absurdum, diese Welt, in der Pan längst in den Straßen- schluchten erstickt ist, seine Flöte die das Gedröhn der Zivilisation längst nicht mehr übertönt,- wieder z u v e r l a s s e n,- vielleicht für immer grundlos.-

Wie sehr wünschte ich mir die grenzenlose Freiheit und den Mut, der allem rechthaberischen Verstande trotzt, zu besitzen, mich mit mir, in allem, die Felsenklippe Helgolands herabstürzen zu können, einem Seeadler im Sturzflug gleich, um dann, wie ein von den Nazis abgesprengter Felsblock auf dem Grunde des Meeres für alle irdische Zeit zu versinken, um irgendwann an ein anderes Gestade gespült, Teil jener Steilküste zu sein, die dann so groß ist, dass sie die ganze Verbindung zwischen Himmel und Erde herzustellen vermag, ausgehöhlt von den Gezeiten der Nordsee, gleich einer gigantischen Fruchtblase, in der sich Männer und Frauen ohne Worte verstehen und in den Armen liegen…

Doch dieser Wachtraum, in tiefster, windstiller Nacht, wird wohl mit allem Irdischen vergehen und der Wind, der um die Felswände der „Langen Anna“ heute weht, wird dem stummen Zuhörer alles davon erzählen,- zu seiner Zeit,- aus ferner Vergangenheit, so dann die Tore zu den Sternen und ihren Korrelationen mit der Erde wieder offen sind und nicht mehr von Maschinen, Robotern, Computern oder anderen Repräsentanten menschlicher Dummheit, die den Ausdruck der Versklavung des Menschen durch die Dinge die er selbst geschaffen hat, darstellt,- versperrt sein werden.

In der Nacht der Rückkehr von Helgoland nach Nordstrand den 10.6.02

"Die lange Anna und der Vogelfelsen" © Thomas Hecht (06/02)