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Totalausfall

Grundthese:
Regeln, Gesetze und Prinzipien, im besonderen bezogen auch auf die Erwerbsarbeit, die fixe und starre Konzepte, gegenüber einem ganzheitlichen, natürlichem Leben in eigensinniger, selbstwirksamer Bürgerarbeit darstellen, verhindern oftmals völlig die vollständige Verbalisierung der Welt und damit die Befreiung des Einzelnen in und von ihr und verhindern dadurch den wilden Frieden einer vollständigen Aufhebung der Hierarchien und der ökonomischen Verhältnisse. Stattdessen sperren sie den Einzelnen in sich ein und isolieren ihn vom freien natürlichem Spiel der Kräfte, welches getragen wird durch den freien Austausch mit seinen Mitmenschen und einem
selbsterfüllenden, selbstwirksamen Tätig sein Denn da wo unsere Sprache aufhört, dort endet auch unsere menschliche Welt und dort wo wir nicht mehr aus uns selbst tätig werden dürfen, erleben wir uns selbst und unsere Möglichkeiten nicht mehr, vergessen schließlich wer wir wirklich sind und werden so fatalerweise zum Opfer von uns selbst und damit auch unserer Umwelt. Eine Figur in dem Stück ist rein selbsttätig und versucht diese Sprachlosigkeit zu durchbrechen.

Bühnenbild: Auf dem Boden der Bühne sind Fahrbahnlinien gezogen und stehen Haltestellenschilder und Ampeln die in einem gespenstischem Eigenlieben in ständiger Wiederholung von rot auf grün schalten. Menschen aller Couleur stehen an Bushaltestellen , starren vor sich hin, laufen auf irgendetwas wartend auf dem Bürgersteig auf und ab, sitzen auf Bänken jeder für sich und hören mit Musik aus ihrem MP3 Player, tippen auf ihren Handys herum, oder einige wenige Jugendliche telefonieren in einer fremden, unverständlichen Sprache. Die Menschen vor den Haltestellen starren vor sich hin und schauen zigmal auf den Fahrplan. Sprache ist reiner Luxus geworden. Höchstens das mal jemand einen anderen nach einer Zigarette oder der Uhrzeit fragt, während die Ampeln auf den markierten Wegen auf der Bühne ihr Eigenleben führen. Die Passanten laufen gleichgültig in ihrer Welt der gesellschaftlichen Regeln gefangen aneinander vorbei.
Ein Türke zählt unaufhörlich die Perlen an seiner Gebetskette, eine junge sehr sexy gekleidete Türkin tippt auf ihrem Handy eine SMS, eine andere zieht ständig mit ihrem Labellostift ihre Lippen nach und richtet mit einem Taschenspiegel ihr Make- up.
Aus einem Lautsprecher erschallen von Zeit zu Zeit Lautsprecheransagen mit Fahrplanhinweisen: “ Ihre Planzeit im Wohnsektor C ist abgelaufen! Bitte begeben sie sich unverzüglich in das in ihrem Sektor vorgesehene Massengrab.”
Auf einer überdimensionalen Leinwand erscheinen Bilder von prachtvollen, üppigen Naturlandschaften, die es in Wirklichkeit längst nicht mehr gibt. Dazu kommen Nachrichten aus aller Welt, etwa über Umwelt und Naturkatastrophen, sowie Kriegsberichte aus den vielen Krisenherden der Welt.
Während all dessen tanzt zwischen den Passanten ein älterer, bunt gekleideter Herr herum und schneidet den Umstehenden Grimassen und singt dabei etwa Cat Stevens “And if you want to bei free bee free…” Was soll ich nur sagen oder tun wie darauf reagieren”, denkt die genervte Menge der Passanten und reagiert zunächst einmal abweisend und brüskiert. Doch dann beginnen sie untereinander über dies merkwürdige Verhalten dieses Mannes zu tuscheln und sich gegenseitig Fragen zu stellen. Plötzlich ist der bunt gekleidete Mann wieder verschwunden, vielleicht nachdem er seinen Monolog beendet hat und lässt die Passanten zunächst einmal ratlos und verwundert zurück… Die genaueren Details können von den Schauspielern, nachdem sie sich in die Situation der Einsamkeit und Anonymität der Großstädte versetzt haben, frei improvisiert werden und so aus dem Nichts immer wieder Neues schaffen, als Sinnbild wie aus einer Situation in der nichts möglich zu sein scheint endlos vieles möglich werden kann…

Denkbar wäre auch ein ähnliches Filmszenario des nachts auf einem Bahnhof, wo die Wartenden versuchen zu schlafen, rum stehen oder vor sich hin dösen, wo dieser ältere Mann zwischen ihnen herumtanzt und dann auf einmal in den erstbesten Zug springt der gekommen ist und genauso unglaublich wie er aufgetaucht ist, wieder verschwunden ist. Der Monolog des älteren Herrn, ( der etwa aus der Beschreibung des “alten Ozeans von Isidor Lautreamont Ducasse in “Den Gesängen des Maldoror besteht), sowie seine Aktionen auf der Bühne, sowie die Reaktion der umstehenden Passanten kann von den Schauspielern frei improvisiert werden.
Das Stück endet mit dem plötzlichen wieder Verschwinden des älteren Herren und lässt die umstehenden Passanten, wie vielleicht auch das Publikum betroffen zurück!

Anschließend Musik von Jim Morrison “ Riders in the storm”

Vorhang

"Totalausfall" © Thomas Hecht (2006)

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