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Wer ist Godot, oder die Wahrheit über den Kuss des Judas von Ischariot

Hommage an Samuel Beckett



Bühnenbild

Estragon und Wladimir sind unter einem Apfelbaum eingeschlafen. Währenddessen ist die Nacht hereingebrochen und man hört die Gymnopédie Nr.1 von Erik Satie. Die Bühne ist ansonsten leer und still. Die Morgensonne geht langsam auf. Man sieht den Apfelbaum, der jetzt mit vielen Früchten bedeckt ist. Die Musik hat gewechselt. Man hört den Anfang von der “Morgendämmerung” aus dem “Peer Gynt” von Edvard Grieg. Estragon und Wladimir beginnen aufzuwachen. Wladimir streckt die Arme aus und gähnt. Estragon liegt noch ausgestreckt auf der Erde, die offenen Augen in Richtung der Wolken am Himmel gerichtet.

Wladimir: Bist du schon wach?
Estragon mit genervtem Ausdruck: Ja, ja
Wladimir: Hast du etwas geträumt?
Estragon in einem beleidigtem, genervtem fast wütendem Tonfall: Ja, ja, hör mal lass mich verdammt noch mal zufrieden, bitte sehr. Heute hänge ich mich auf und damit Schluss( in wütendem Tonfall)
Wladimir mit einem verletztem Gesichtsausdruck: Wenn du dich
aufhängst, was werde ich dann tun?
Estragon verärgert: Ich habe keine Ahnung.
Wladimir jetzt ebenfalls verärgert: Ja, ja, du weißt immer gar nichts in jeder Sache. Aber sag mir nur noch bevor du dich aufhängst hast du von etwas geträumt, erinnerst du dich an etwas?
Estragon immer noch etwas verärgert, doch einlenkend: Ja, ja ich habe etwas geträumt und ich erinnere mich sogar sehr gut daran…
Wladimir insistierend: Und von was hast du bitte schön geträumt, von Godot vielleicht?
Estragon immer noch etwas genervt mit der müden Stimme eines
steinalten Mannes, der schon längst mit seinem Leben abgeschlossen hat: Nein, nein nicht von Godot! Ich habe geträumt ich sei auf einem Flugplatz in irgendeinem Teil der Welt und ich frage dort jemanden, ob er nicht ein Charterflugzeug für mich habe, denn ich wolle damit im Wind nach Australien fliegen. Er zeigte mir jedoch nur ein kleinen Segelflugzeug für nur eine Person. Ich setzte mich also in das kleine Cockpit des Segelfliegers, welches nicht einmal einen Namen auf seinem Körper trug, und der Typ der auf dem Flugplatz arbeitete, zeigte mir den Gebrauch der Hebel, um zu steigen und zu sinken und all die Ruder und Pedale, u das Segelflugzeug in die gewollte Richtung zu steuern, und all die Messinstrumente, um die jeweilige, aktuelle Position des Segelflugzeuges zu bestimmen. Zu wissen mich ihrer zu bedienen
erschein mir als überhaupt nicht schwierig und ich brachte nur einige Minuten, um all diese Dinge auf der Erde an dem Flugzeug
auszuprobieren, welches selbstverständlich fast unbeweglich auf der Erde stand. Kurze Zeit später sagte ich bereits sehr stolz auf mich zu dem Kerl: Ja es ist gut jetzt, wir können jetzt loslegen und er antwortete mir: Nein, nein, es sind sie ganz alleine, der sich nach dorthin aufmachen wird, doch nicht ich. Ich kann sie nur an das Seil der Seilwinde anbinden, die das Segelflugzeug nach oben ziehen wird. Also los! Er befestigte das Segelflugzeug an dem Seil der Seilwinde und er wollte die Seilwinde gerade anschmeißen, um mich nach oben zu ziehen, als mir noch eine sehr wichtige Sache einfiel, die ich nicht bedacht hatte und die mich bestürzte: Ich hatte keinen Kompass, denn im Flugzeug hatte ich keinen gefunden. Wie konnte ich also je nach Australien gelangen, wenn ich nicht die richtige Richtung wusste? Deshalb schrie ich aus aller Kraft zu dem Typen an der Seilwinde: Halt, Stopp Monsieur! Ich habe keinen Kompass, ich brauche unbedingt einen Kompass, ansonsten kann ich auf keinen Fall von der Erde abheben und an mein Ziel kommen. Bereitwillig und mitleidig lächelnd gab er mir einen Kompass, in dem er in den großen Taschen seines Mantels wühlte. Mit einem breiten Grinsen drehte er sich wieder zu der Seilwinde und setzte sie in Gang. Ich fühlte die Beschleunigung des Flugzeugs, die Kraft und Geschwindigkeit, die sich ganz an die des Windes anpasste, selbst an meine Gedanken in wenige Sekunden. Ich fühlte auch die Vibration des Segelflugzeuges, hervorgerufen durch den Luftwiderstand und plötzlich, fand ich mich, all diesem enthoben, wieder. Ich war wie ein Vogel im Azurblau des Himmels, um mich und das Segelflugzeug herum, nichts als der Lärm des Windes, mein Herz, welches jetzt sehr schnell schlug, und das pulsierende Blut in den Nerven meines Gehirns. Unter mir kleine kolonisierte Flecken und über mir das Azurblau mit einigen, wenigen, weißen Flecken von Kumuluswolken, da es sehr schönes, klares Wetter war.
Ich zog den Hebel des Höhenruders und das Flugzeug stieg. Ich drückte den Hebel weg von mir und das Flugzeug sank, einen Umstand, den ich auch auf den Instrumenten verfolgen konnte. Ich drückte den Steuerknüppel nach rechts, da ich wie du ja weißt Rechtshänder bin, und das Flugzeug fing langsam an nach rechts zu drehen,
korrespondierend mit der Kraft mit dem ich den Steuerknüppel drückte. Ich drückte den Steuerknüppel nach links, und das Flugzeug fing sofort an nach links zu drehen und in der gleichen Weise und so fort. Doch plötzlich warf ich einen Blick auf meinen Kompass und ich musste mit Entsetzen feststellen, welches mir eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper rinnen ließ, dass mein Kompass überhaupt kein Eigenleben besaß , ohne dem Flugzeug, ohne den Winden, ohne der “condition humane”, ohne die Bedingtheit selbst der universellen Naturgesetze. Der Kompass blieb demgegenüber vollkommen blind und taub, tat er doch genau das was ich, beziehungsweise das Flugzeug tat, ohne jedwede Existenz in sich selbst, ohne Charakter, ohne Ziel, ohne Moral, selbst ohne Religion, ohne Musik, aber mit einer schrecklichen, lärmenden,
gleichgültigen Stille, Todesschreie der absoluten Verzweiflung in mir weckend. Von diesem Moment an verstand ich, dass ich dazu verurteilt war dort oben zu bleiben, bis zum unweigerlichen Absturz in den Tod, eingesperrt in diesem Cockpit meines Flugzeugs, bis zum wohl baldigem Ende meiner Tage, totsicher zum Tode verurteilt den Sinn meines Lebens gänzlich verfehlend, (lag meine ganze Existenz mein ganzer Lebenstraum doch in Australien) gefangen in einer einzigartigen Einsamkeit eines für alle Zeiten vollkommen Namenlosen, nur mit meiner persönlichen
Freiheit, verurteilt an diese rein individuelle Freiheit selbst, ohne jedwede Gerechtigkeit als meine eigene, ohne die geringste Möglichkeit mir selbst zu entkommen, vollkommen allein. Fast ohne jedwede Hoffnung auf einen einzigen Bezug, auf eine wie auch immer geartete Form von Gnade, die mich hätte befreien können, von dieser infernalen Freiheit, die ich nicht einmal mehr denken konnte….

Mit einer sehr traurigen, tief schwermütigen, sehr resignierten und sehr müden Stimme beendet er seinen Diskurs mit einem letzten, langen und abgrundtiefem Seufzer, den man kaum noch vernehmen kann: - Ja Wladimir, auch ich warte noch immer auf Godot!

Wladimir hat ihm die ganze Zeit gebannt zugehört, ihm mit einer immensen Aufmerksamkeit in die Augen gesehen, still und unbeweglich, jetzt auch mit einem sehr traurigem, verlorenen Gesichtsausdruck und Tränen in den Augen, sitzt er da. Nach einer langen Stille murmelt er: Danke Estragon, dass du mir für dieses eine Mal alles gesagt hast.

Wladimir und Estragon bleiben von diesem Moment an völlig bewegungslos sitzen, die Blicke auf einen Ort fixiert, der sich letztendlich nirgendwo befindet. Die Musik Erik Satie`s bricht ab. Eine totale Stille herrscht. Die Szene ist voll mit einem grellem, weißem Licht ausgeleuchtet, klar und eine immense Kälte ausstrahlend. Man sieht das kleinste Detail auf der Bühne.
Plötzlich erscheint ein sehr alter Mann auf der Bühne. Er trägt einen riesigen langen, weißen Bart, eine großen, schwarzen Hut auf seiner Glatze, trägt sehr kleine ausgetretene Schuhe, sehr kleine in Relation zu seinem großen, massivem jedoch völlig ausgemergeltem Körper. Er ist gerade dabei, völlig in sich versunken, einen Apfel zu essen. Er hat exakt dasselbe Auftreten wie Yves Montand in seiner ersten Szene des Films “XP 5” von Jean Jacques Beineix, in der er die Rinde der Bäume streichelt. Er spaziert mit einem an allem interessiertem Blick über die Bühne, auch musternd ins Publikum sehend. Als er Estragon und Wladimir unter dem Apfelbaum sitzen sieht, zieht er seinen sehr alten, großen, schwarzen Hut vor ihnen und geht auf sie zu. In der
Zwischenzeit hat er seinen Apfel fast zu Ende gegessen. Er nimmt das Kerngehäuse des Apfels, geht auf die Knie und pflanzt sie in die Erde, gegenüber des Apfelbaums. Als er damit fertig ist, setzt er sich ruhig gegenüber von Estragon und Wladimir ein gleichschenkliges Dreieck mit ihnen bildend. Er hat jetzt einen völlig zufriedenen-satten,
glücklichen Gesichtsausdruck, man könnte sagen, wie ein Kleinkind, nachdem es gerade gestillt wurde. Er fängt an aus Lust und Wohlbehagen zu gähnen und betrachtet Estragon und Wladimir mit einem ehr breitem, strahlendem Lächeln, gleichsam einer aufgehenden Sonne. Seit dem ersten Moment da der Mann auf der Bühne erschienen ist, haben Estragon und Wladimir jede seiner Gesten mit großer Aufmerksamkeit und
Verwunderung verfolgt. Ihre Körper blieben dabei, außer dem verfolgen des Mannes durch ihre Blicke, relativ unbewegt. Wladimir und Estragon wollen gerade, nach kurzer Rücksprache untereinander, den alten Mann ansprechen, während sie ihn wiederum neugierig anblicken als der alte Mann beginnt sie zu fragen:
Alter Mann: Entschuldigen sie, hätten die Herren wohl eine Zigarette?

Wladimir und Estragon schauen sich ernüchtert an. Estragon schließlich abweisend: Tut uns leid, doch wir rauchen nicht. Alter Mann: Sei`s drum. Danke Entschuldigen sie bitte nochmals, doch ohne sie stören zu wollen hätten sie vielleicht ein solides Seil. Ich brauche es unbedingt.

Estragon und Wladimir schauen sich auf`s Neue sehr erstaunt an. Wladimir schließlich: Tut uns leid mein Herr, wir hatten ein Seil, aber es ist zerrissen.
Estragon und Wladimir besorgt und neugierig gleichzeitig: Verzeihen sie bitte der Herr, doch was wollen sie mit einem Seil anfangen?

Alter Mann kurz angebunden und lakonisch: Ich will mich aufhängen.

Estragon und Wladimir zur gleichen Zeit und sich abwechselnd in sehr aufgeregtem und zugleich schockiertem, resigniertem Ton: Sie wollen sich aufhängen, Monsieur? Aber warum denn sie? Sind sie nicht der Monsieur Godot auf den wir seit Wochen warten, oder genauer gesagt Jahre, ganz genau gesagt unser gesamtes Scheißleben? Großer Gott entschuldigen sie, aber haben sie nicht den Apfelbaum zum Blühen gebracht und ihn heute über Nacht überall Früchte tragen lassen? Und haben sie nicht gerade die Samen eingepflanzt, Monsieur, damit ein neuer Apfelbaum wachsen kann?

Der alte Mann reagiert darauf fast verärgert mit einer sehr vollen, starken Stimme und einer Artikulation von großer Präzision und Schärfe, als seziere er mit einer Rasierklinge das Gesagte: Ich weiß davon überhaupt nichts. Ich erinnere mich kaum, doch wenn ihr so darauf besteht dann bin ich wohl euer Godot.! (verächtlich). Zugleich bin ich jedoch niemand und werde dahin zurückkehren, von woher ich gekommen bin. Im übrigen werdet ihr erst in dem Moment wahrhaftig erkennen wer ich tatsächlich gewesen bin, wenn ich nicht mehr existiere und ihr mich nicht mehr brauchen werdet. Denn ich habe weder eine Moral, noch eine Verantwortung, oder gar einen Charakter. Zudem kenne ich euch überhaupt nicht. Ich habe keine Beruf, deshalb schulde ich euch gar nichts. Ich habe sogar nicht einmal ein präzises Ziel, außer dasjenige, dass mir noch verbleibt zu erfüllen, wie alle Menschen, die feststellen das das Leben ein Irrtum ist: Den Tod. Ihr habt nicht einmal ein festes Seil, also lasst mich zufrieden, bitte sehr, ansonsten töte ich euch mit einem Augenaufschlag! (verärgert).

Wladimir und Estragon sind sehr erschrocken. Man spürt ihre Angst, die auch durch ihren Körper geht. Man hat fast den Eindruck sie wollten fliehen, ohne zu wissen wohin. Deshalb sind sie gezwungen unbeweglich und erstarrt sitzen zu bleiben, viele Entschuldigungen murmelnd, völlig konfus, so dass ihr Gemurmel völlig unverständlich bleibt, sowohl akustisch, als auch inhaltlich von der Syntax her.

Der alte Mann erhebt sich schnell und abrupt und beginnt sich mit einer großen Selbstsicherheit und Schnelligkeit auszuziehen ( für den Schauspieler handelt es sich dabei darum sich auf die schnellstmögliche Art und Weise auszuziehen, ohne dabei in der Mimik oder Gestik die geringste Emotion zu zeigen. Es soll also ganz mechanisch wirken.
Wladimir und Estragon sind von den Ereignissen völlig überrollt, äußerst erschrocken, verharren sie in ihrer völligen
Bewegungslosigkeit, auf ihren Gesichtern der Ausdruck des Leidens im Moment des Todes. Sie murmeln weiterhin konfuses und hysterisches Zeug.
Wladimir und Estragon sprechen zur gleichen Zeit nebeneinander her: Aber Monsieur, hören sie doch auf, höre sie auf, ich bitte sie, und wir die wir sie erwartet, nur sie unser gesamtes Leben, wir sind auch im Begriff zu sterben. Helfen sie uns ich flehe sie an auf Knien Monsieur. Wer auch immer sie sein mögen, wer auch immer…wir sind noch jung. Wir könnten uns sehr gut um sie kümmern, wir schwören es bei unserer Ehre, wir beschwören sie, wir flehen sie an Monsieur, Meister, Godot, Gott, Monsieur le President, mein Bruder mein Vater, meine Mutter, die universelle Natur der boudhistischen Gesetze, die “condition humane”, oder wer auch immer sie sind. Ich flehe sie an. Usw.
Ihr gesamter Diskurs in dieser Art dauert einige Minuten und scheint kein Ende zu finden. Er wir d allmählich immer schwächer im
akustischen, wie auch im inhaltlichen Sinne der Syntax.

In der Zwischenzeit sucht der alte Mann, der jetzt vollkommen nackt ist, mit einem weißen Körper der Unschuld und der totalen Immunität des Tempels seiner Seele mit einer völligen Gelassenheit, also vollkommen im Frieden mit sich selbst, nach etwas was ihm als Seil dienen könnte. Er murmelt die ganze Zeit über: Ich habe keine Zeit mehr, ich habe keine Zeit mehr usw.

Nach einigen Minuten findet er eine Pflanze, eine Liane auf dem neu gewachsenen Apfelbaum, gegenüber des alten. Der junge Apfelbaum ist sehr schnell gewachsen. Er ist bereits groß und trägt die ersten Blätter. Der junge Apfelbaum ist jetzt über und über mit Lianen bedeckt. Der Alte man versucht auf den jungen Apfelbaum
hochzuklettern. Er hat dabei große Schwierigkeiten, weil er sehr schwer ist, deshalb brechen einige Äste, aber er schafft es schließlich sich eine Liane zu greifen. Er steigt vom Apfelbaum wieder herunter und zieht mit beiden Armen an der Liane mit all seiner Kraft des Alters. Er zieht Meter um Meter und hört nicht auf zu ziehen. Überall an der Liane findet er alle möglichen Arten von Briefen und Schreiben angeheftet, vor allem Antragsformulare, etwa für Sozialhilfe, Bewerbungen für Posten in der Politik und Verträge aller Art. Nachdem der alte Mann einige Minuten gezogen hat und sich die Schreiben angesehen hat, ist er es leid. Sehr wütend zerreißt er die Liane auf brutale Weise, wie ein Killer. Kurz danach beginnt er den jungen Apfelbaum völlig zu zerstören. Das heißt er gräbt die Erde, wie ein Wilder sehr schnell mit den Händen, oder mit einem provisorischem Werkzeug, welches er in der Nähe findet, aus, und mit aller Kraft seines Alters entwurzelt er den jungen Apfelbaum völlig. Er findet dabei wie durch einen Zufall, gleich einem Wink des Schicksals eine große Hacke irgendwo in der Nähe herumliegen und mit ihr zerhackt er alle großen Wurzeln des jungen Apfelbaums. Nachdem er damit fertig ist, ist er völlig nass geschwitzt, wirft die Hacke von sich und setzt sich in einer gewissen Distanz, ein gleichschenkliges Dreieck bildend zu Estragon und Wladimir auf den Boden, um sich auszuruhen. Wladimir und Estragon schauen den alten Mann auf eine sehr schockierte Art und Weise an und murmeln vor sich hin: Mein Gott, mein Gott…und anderen Ausdrücken dieser Art.
Nachdem sich der alte Mann ausgeruht hat, richtet er sich auf, nimmt die Liane und spricht Estragon und Wladimir erneut an: Alter Mann: Entschuldigen sie ein letztes Mal, aber würden sie mir einen lezten Dienst erweisen?
Estragon und Wladimir sehr erstaunt und fast zusammen: Welchen? Alter Mann: Ich muss diese Liane an diesem Ast des Apfelbaums befestigen ( zeigt auf einen stärkeren Ast des Apfelbaumes) und es ist dafür nötig, dass ich auf eure Schultern steige, um mich in dem Moment erhängen zu können, in dem ihr eure Schultern wegzieht.

Wladimir und Estragon aufs Neue sehr schockiert, sprechen sie erregt, sich gegenseitig abwechselnd: Also sie wollen tatsächlich, dass wir ihnen dabei helfen sich aufzuhängen? Niemals werden wir so etwas tun! Wir wissen jetzt auch ganz genau wer sie sind. Sie sind Godot, der Präsident oder Gott und letztendlich all das auf das wir gewartet haben und zu gleicher Zeit sind sie überhaupt nichts. Sie sind nichts weiter als ein alter Mann, der bald sterben wird und der vom Leben die Nase gestrichen voll hat. Aber wir müssen alle eines Tages sterben, warum es also forcieren, den Tod suchen? Sie sind wie unser Vater, bleiben sie also noch die gegebene Zeit mit uns und wir werden uns um sie kümmern. Wir schwören es ihnen bei unserer Ehre, die wir Dank ihnen wieder gefunden haben, Monsieur.

Alter Mann. Wenn sie nur wüssten wie gerne ich mit euch bleiben würde von diesem Moment an, aber das ist mir unmöglich. Ich kann nicht mehr warten, denn es bleibt mir nur noch sehr wenig Zeit, um meine Aufgabe zu erfüllen und für euch weiß ich unglücklicherweise überhaupt nichts für den Moment.

Währenddessen erscheinen Lucky und Pozzo auf der Bühne. Lucky zieht Pozzo an einem Seil hinter sich her, welches sich um den Hals von Pozzo befindet. Pozzo trägt viel Gepäck mit sich herum . Volle Plastiktüten mit Zeitungen und Papieren, einen große Koffer und eine Vogelkäfig mit eine exotischen Singvogel darin, etwa einem
Kanarienvogel. Die Gesichtszüge Pozzo`s drücken ein enormes, erduldetes Leiden aus. Während Lucky Pozzo hinter sich her zieht, fängt er einen langen Diskurs an, mehr ein Monolog der kein Ende zu finden scheint: Man muss sich Sisyphus als glücklichen Menschen vorstellen, dieser Camus der spinnt, ein Träumer, dabei ist doch ein Tag wie der andere, Tag ein Tag aus das Gleiche….
Als Pozzo Estragon, Wladimir und den alten Mann erblickt, der immer noch dabei ist einen schweren Felsbrocken unter den Apfelbaum zu rollen, oder besser dies vergeblich zu versuchen, aus den Augenwinkeln nach Lucky und Pozzo schauend, versucht Pozzo den Kopf nach ihnen zu erheben, zieht Lucky sofort das Seil um Pozzos Hals fester, so dass Pozzo vor Schmerz aufschreiend gezwungen ist seinen Kopf wieder zu senken. Währenddessen fährt Lucky ohne abzubrechen mit seinem Monolog fort, in einem lakonischen Tonfall, automatisch, maschinenhaft, ohne irgendeinen, gewollten Ausdruck und wenn mit einer Ausdrucksweise die durch den Zufall geformt erscheint. Er rezitiert eine Passage aus den “Gesängen des Maldoror” von Isidor Lautreamont Ducasse. Es handelt sich dabei um die Passage in der Lautreamont eine poetische
Beschreibung des “alten Ozeans” liefert. Die Ausdrucksweise des Schauspielers soll völlig lakonisch und emotionslos beginnen und immer rauschhafter, enthusiastischer werden und am Ende völlig fantastisch, poetisch- beschwörend und surrealistisch wirken.
Der alte Mann lauscht dem Monolog Lucky`s und zieht aus ihm ein großes, belustigendes Vergnügen. Er beginnt mit langsamen, ausladenden Bewegungen über die ganze Bühne zu tanzen, in einer Art Pantomine und mit sehr pathetischen, leger-lockeren, doch langsamen- getragenen Bewegungen, die allmählich immer schneller, kraftvoller und
verkrampfter werden. Man soll den Eindruck haben, er schiebe den Boden der Bühne und die Zeit immer schneller unter sich her.( Anspielungen an den Break Dance oder den Rap sind durchaus vorstellbar, genauso wie pantomimische Bewegungen, etwa wie die Bewegungen Charlie Chaplins in “Moderne Zeiten”)
Die Aussprache Lucky`s wird immer schwächer, da er beginnt müde zu werden.
Der alte, tanzende Mann beginnt ebenfalls zu ermüden. Nach einiger Zeit bricht der Monolog von Lucky endgültig ab. Pozzo ist jetzt fast auf dem Boden ausgestreckt, wegen der Schmerzen, die er zu erleiden hat. Im gleichen Moment in dem Lucky`s Monolog endet, hört der alte Mann auf zu tanzen. Alle Personen auf der Bühne bleiben für etwa eine Minute unbeweglich und sehen sich an. Danach geht der alte Mann, der jetzt angefangen hat zu weinen auf Pozzo und Lucky zu. Der alte Apfelbaum ist jetzt vollkommen nackt und kahl, ohne Blätter, wie im Winter.
Der alte Mann zu Pozzo und Lucky: Entschuldigt bitte, könnt ihr mir helfen den großen Felsbrocken unter den Apfelbaum zu wälzen?

Lucky: This is the way the world Ends, Not with an big bang, Not with a whimper, but by pushimg a rock under tue streng brach of an Apple tree! - Erfreut sie kenenzulernen. I hope you guess my name. Pozzo steh auf, lass uns gehen!

Pozzo steht auf und geht mit Lucky und dem alten Mann zu dem Apfelbaum. Der Felsen fängt durch ihr Schieben an sich zu bewegen und lässt sich nach einiger Zeit äußerster Anstrengung leicht bewegen. Sie schaffen es relativ schnell den Felsbrocken unter den alten Apfelbaum zu wälzen, genau unter einen starken Ast. Währenddessen gibt der alte Mann seine Anordnungen und Zurufe. Letztendlich steigt der alte Mann auf den Felsen, legt die Liane ruhig um den Ast herum und steckt seinen Kopf in die aus der Liane geknoteten Schlinge und atmet ein letztes Mal tief ein und aus. Währenddessen haben sich Estragon und Wladimir den beiden und dem alten Mann schnell genähert und versuchen auf den Felsen zu klettern und den alten Mann noch im letzten Moment daran zu hindern sich aufzuhängen. Doch Lucky und Pozzo wehren sie erfolgreich ab, erweist sich doch vor allem Lucky als wesentlich stärker als sie.

Alter Mann zu Lucky und Pozzo. Los jetzt wälzt den Felsen weg!

Der Felsen beginnt sich unter Lucky`s und Pozzo`s Anstrengung zu bewegen. Die Füße des alten Mannes finden sich plötzlich im Leeren und er ist gehängt. Der Felsen hat ein Loch hinterlassen, an der Stelle von der Pozzo und Lucky in weggewälzt. In diesem Loch befindet sich eine Kassette aus Metall. Während Estragon und Wladimir noch verzweifelt schreien, stürzen sich Lucky und Pozzo gleich auf diese Kassette und öffnen sie. Sie enthält jede Menge 1000 Dollar Scheine. Es müssen Millionen sein. Als Estragon und Wladimir das Geld sehen stürzen sie sich ebenfalls auf die Kassette. Ein großer, sehr brutaler Kampf bricht zwischen den beiden Parteien plötzlich aus.

Der alte Mann bewegt sich noch, zuckt immer wieder krampfhaft zusammen unter der Strangulation der Liane im Todeskampf. Man hat den Eindruck als wolle er in einen furchtbaren, schaurig- makabren Lachkrampf ausbrechen, aber die Liane hindert ihn daran. Also schüttelt sich sein Körper, sein Gesicht zeigt eine furchtbare Grimasse, man meint er sei ein Monster. Plötzlich reißt die Liane, kurz darauf fällt der alte Mann direkt auf die Kassette.
Im Todeskampf schreit der alte Mann in furchtbarem Tonfall: Teilt das Geld unter euch und beerdigt mich hier!

Alle Personen auf der Bühne stehen völlig versteinert, unbeweglich auf der Bühne, wie lebende Statuen für eine endlos erscheinende Weile. Dann geht Estragon langsam zu dem Vogelkäfig mit dem Kanarienvogel, öffnet den Käfig und lässt den Vogel frei.
Wladimir geht langsam zu dem toten am Boden liegenden, alten Mann und küßt ihn sanft auf den Mund.
Das Licht erlöscht und man hört die Wellen des Ozeans rauschen.

Vorhang

"Wer ist Godot, oder die Wahrheit über den Kuss des Judas von Ischariot" © Thomas Hecht (07/96)

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