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Die Bluesnacht in Wiedenbrück
Eine Menschenmenge, eine noch leere Bühne und ich allein in der Menge, die über mich hinwegsteigt, wahllos, als wäre ich unsichtbar. Bei mir herrscht das Unverständnis über diese Welt der Menschen in der kein Gespräch keine Geste, kein Blickkontakt nicht so flüchtig und nichtig wäre wie ein Windhauch… ich suche weiter… und fast alle freien Stühle sind besetzt, bis auf einen, auf dem ich mitten zwischen all den Menschen ganz alleine sitze.
Ganz bei mir angekommen bin ich erst als ich allein vor die Bühne der spielenden Musiker trete, meine Schlappen in eine Ecke werfe und barfuss ausgelassen zu der Blues Band tanze und mir ein junges Mädchen anschließend, als um Punkt 23.oo Uhr Schluss ist mit der Musik, auf dem Boden sitzend sagt, ich hätte ja so schön getanzt und ich ihr sage sie hätte ja mittanzen können, sie könne bestimmt auch toll tanzen. Dann gehe ich wieder allein durch die nächtlichen Gassen zurück ins Wohnheim, schließlich muss ich mich an meine Ausgangszeiten halten… und der Mond scheint unbehelligt und so groß, wie eine geheime Verheißung, die versucht zu bleiben und sich gleich wieder verliert, gleich einem Gesicht Gottes das in mir wandelt und mich immer wieder neu durch das Feuer der Einsamkeit, des Fluchs, der Verzweiflung gehen lässt, um gottähnlicher zu werden.
Im Bus auf der Rückfahrt von meinem Therapeuten oder das dionysische Keuschheitsopfer
Eisige Kälte in rosa Tönen sitzt mir im Bus auf der anderen Seite gegenüber, in ihrem perfektem Kostüm, ihrer perfekten Maskerade von Make- up, mit ihrer gebräunten Haut, ihren in brauner Strumpfhosen vollendet grazilen übereinander geschlagenen Beinen mit ihrem nur zu wohl distinguierten Teint, alles ohne Ecken und Kanten, göttlich in sich ruhend, unnahbar vor sich hin in ein scheinbares Nichts sehend.
Nur blanke Dolche in meinem sehnsüchtig verlangendem Herzen spürend, welches seine Keuschheit auf dem Altar wieder einmal opfern möchte um keusch zu w e r d e n, nicht wie im orthodoxem Sinne zu bleiben, versuche ich mich ihr zu nähern und den Krug bis zur bitteren Neige auszutrinken
„Wissen sie ob der Bus am Finanzamt hält?“ frage ich um des Fragens willens. Kurze unbeteiligte, lakonische Antwort ihrerseits, dann wieder eisige Kälte. „Es ist heute ein schöner Tag nicht? Haben sie Feierabend?“ setze ich zwei kurze Sätze nach. Keine Reaktion und genervte eisige Kälte ihrerseits, lässt bei mir allen Mut singen und mich innerlich wütend werden auf meine eigene Ohnmacht und Schwäche gegenüber dieser Göttin. „Arrogante Ziege“ denke ich und sage deutlich vernehmbar aus dem Fenster heraus vor mich hin, so dass sie es hören muss, „ja, ja, die drei Affen, nichts sehen, nichts hören , nichts riechen, ist ja sowieso egal was ich sage“. Ich sehe ihr Spiegelbild auf meinem Fensterplatz: Keine Reaktion. Ich singe leise „Yesterday aus meinem Fenster blickend vor mich hin, weiterhin keine Reaktion. Dann plagt mich eine große Verlorenheit, ein Ekel, eine Wut über die maßlose Ignoranz dieser Frau und ich setze mich ruckartig aufstehen in den hinteren Teil des Busses, um sie ja nicht mehr sehen zu müssen, und meiner Ohnmacht zu entkommen.
Ich habe den Therapeuten gewechselt und fahre zum Glück nicht mehr in jenem Bus von Gütersloh in dem sie auch jedes Mal saß.
So sehne ich mich wieder in die Arme deiner kranken, verfetteten Seele meiner Dunja. Jedoch verlangt es mich ab und zu immer wieder nach den edlen Weinstockreben mit den so süß ausschauenden Beeren die den Sommer verheißen, zu greifen, nach deinen süßen, feuchten Lippen auf den meinen…
Und mach im Stillen gar schöne Worte, und lese gar schöne Bücher,
Und bleib doch immer wieder so verloren und leer, hab ich meine Zigaretten als Trost nicht mehr, für all die ungelebten Leben, so mittelmäßig dekadent bin ich geworden, zwischen Videosammlung und Arbeitstherapie hier im „sozio- psychiatrischen Wohnheim, wo gilt „immer bücken, immer lachen“
Der Klügere kippt nach….
"Die Bluesnacht in Wiedenbrück" © Thomas Hecht (2007)
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