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Meine weiße Gitarre

Ein Geschenk von einem langjährigem Freund, der mich erst vor kurzem mal wieder gekreuzigt hat, ist Sie,
Die die dir in dem Nerventerror der Klapse in Münster, in der du vor einem knappen Jahr noch Patient warst, vom Stuhl in deinem Patientenzimmer, indem du dich verbarrikadiert hattest, gefallen war, so dass aus ihren Eingeweiden eine Leiste herausgebrochen und die Decke aus der Fassung gesprungen war, für die du über eine geschlagene Stunde gebraucht hattest, Sie in die offene C- Stimmung umzustimmen, gegen das gesamte chaotische Tollhaus der Klinik um dich herum, wobei sich deine Liebste darüber vorwurfsvoll beklagte, wie du hättest so dumm sein können, deine geliebte weiße Gitarre mit in die Klapse zu nehmen und du ihr nur lakonisch am Telefon erwidern konntest: ”Um zu überleben, solange du noch nicht physisch an meiner Seite bist”, die du nach deiner Entlassung zur Reparatur zu einem Musikgeschäft nach Münster gebracht hattest, wo dein engster und langjähriger Doktorfreund in Ruhestand Udo lebt und ein gewieft geschäftstüchtiger Chef für die, wie er dir referierte, sehr aufwendige Reparatur, die für dich horrende Summe von 500-600€ veranschlagte und du gänzlich niedergeschlagen, verdrossen deine Gitarre notgedrungen wieder mitnahmst zu deinem Freund Udo nach Hause und Sie schon als Kunstobjekt mit leeren Psychopharmakaschachteln auf den Achseln ihres Gitarrenkörpers drapiert in den dortigen Gitarrenständer zur Ausstellung stellen wolltest und deren Decke du aus einem Geistesblitz heraus mitten in der Nacht notdürftig am Deckenrand mit Patex wider verleimtes, welches du in Udo`s Wohnung gefunden hattest und die Klebenaht mit Thesafilm fixiertes, so dass ihre Decke wieder plan auflag, wenn Sie auch weiterhin ein wenig über die Randfassung hinausragte, da sich ihre Decke insgesamt durch den Sturz vom Stuhl verzogen hatte und du einigen Wochen später deren Saitenlage und ihren Hals in deiner hiesigen Musikhandlung “Jellinghaus” in Dortmund von einem sehr sympathischen und verständnisvollem Herrn dort für 15€ nachjustieren ließt, wobei dieser per Telefonat anmerkte, das der Patexkleber so fest sei, das man ihn nicht mehr lösen könne du mit dem dumm Laden recht herzlich über deine Kunst und deine Bilder, die du ihm auf deinem Handy zeigtest, ins Gespräch kamst, von denen er sehr angetan war und dich fragte, ob du auch bereit wärst welche davon zu verkaufen…

Nun steht die weiße Gitarre wieder bei mir Zuhause in Dortmund, Hombruch und wartet nur darauf, das ich Sie wieder in aller jungfräulichen, kindlichen Unschuld für Dich spiele, meine Liebste, wie einst auf meiner Zigarrenkiste, bespannt mit Gummibändern, selbstvergessen in meiner Kindheit.

03.12.13

"Meine weiße Gitarre" © Thomas Hecht (13/12)